Rothaus FIS Start
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Interview mit Walter Hofer

Bei jedem Sommer-Grand-Prix testet der Internationale Skiverband (FIS) technische Neuerungen. „Hinterzarten ist unser Labor", sagt Walter Hofer. Anlässlich des diesjährigen Jubiläums im Hochschwarzwald unterhielt sich BZ-Redakteur Andreas Strepenick mit dem Renndirektor der FIS.

BZ: „Herr Hofer, wie geht es Ihnen?“
Walter Hofer: „Ausgezeichnet, danke.“

BZ: „Wir treffen Sie gerade in Polen an. Der Grand-Prix begann in diesem Jahr nicht in Hinterzarten, sondern in Osteuropa. Welche Eindrücke haben Sie in Wisla, Szczyrk und Zakopane gewonnen?
Walter Hofer: „Wir haben diesmal schon im Juli begonnen und waren natürlich gespannt, ob die Trainer das akzeptieren würden. Sie haben es getan. Wir konnten ein extrem starkes Starterfeld aufbieten. Es waren nur zwei große Namen nicht dabei, Simon Ammann und Matti Hautamäki. Der Rest war mit von der Partie. Die zweite Frage war: Was passiert in Polen nach dem Abschied von Adam Malysz? Hier müssen wir sagen, dass wir in Szczyrk und Wisla zwei sehr ambitionierte Orte gefunden haben. Es hat sich gezeigt, dass das Publikum unsere Wettkämpfe sehr gut annimmt. Die Atmosphäre war dieselbe wie zu Adam Malysz’ Zeiten. Drittens wurde einmal mehr offenbar, dass das Skispringen ein Outdoor-Sport ist. Es war, wenn ich das so sagen darf, saukalt in Zakopane.“

BZ: „Warum startet der Sommer-Grand-Prix nicht wie früher im Schwarzwald?“
Walter Hofer: „Es war ein Versuch, aus den Analysen der vergangenen Jahre das Optimum herauszuholen. Einerseits sind die Trainingsprogramme der einzelnen Länder sehr unterschiedlich. Man wollte den Grand-Prix etwas splitten, damit zwischen den Wochenenden mehr Zeit bleibt. Zweitens haben wir einen unglaublichen Andrang von Orten, die in den Grand-Prix hinein wollen. Es sind allein heuer zwei neue Orte vertreten. Wir haben einen erhöhten Druck auf unsere Wochenenden. Deshalb haben wir das Ganze etwas auseinander gezogen und einen früheren Start versucht.“

BZ: „Wenn immer mehr Orte in der Welt Sommer-Wettbewerbe organisieren wollen – welchen Stellenwert hat dann noch der Grand-Prix in Hinterzarten? Muss man da bangen?
Walter Hofer: Nein. Hinterzarten hat für uns nach wie vor einen Sonderstatus. Hinterzarten ist nicht nur traditionell der Ort für das Sommer-Skispringen, sondern auch logistisch einer unserer idealen Standorte. Hinterzarten ist unser Labor. In Hinterzarten wurden bisher alle Neuerungen ausgetestet. Wir haben dort eine optimale Infrastruktur mit einer ausgezeichneten Organisation. Hinterzarten wird ein Herzstück unserer Grand-Prix-Serie bleiben.“

BZ: „Sie haben dort fast jedes Jahr etwas Neues ausprobiert, Regeln und Formate. Wenn diese sich in Hinterzarten bewährten, kamen sie auch im Winter, also bei den weit bedeutenderen Weltcups auf Schnee, zum Einsatz. Beispiele sind die Gewichtsregel, die Windregel, der K.o.-Modus, die Konzentration von Wettkämpfen der Skispringer und Nordischen Kombinierer an einem Ort – sehr viele Innovationen also.“
Walter Hofer: „Wir müssen Hinterzarten über drei Jahrzehnte hinweg betrachten. Im ersten Jahrzehnt, also zwischen 1982 und 1992, war ich selbst noch als Betreuer zweier großer Mannschaften tätig – Österreich und Deutschland. Da war Hinterzarten der Pionierort für den Sommersprungsport überhaupt. Dort haben wir angefangen, internationale Wettkämpfe zu organisieren. Das hat eine Entwicklung durchlaufen. Wenn ich nur daran erinnern darf, dass wir die ersten Wettkämpfe auf Matte angefahren sind. Zwei, drei Jahre später gab es die erste Innovation mit der gekühlten Eislaufspur, wo wir sozusagen einen umgebauten Kühlschrank verwendeten, den wir mit Wasser besprühten, was uns dann einen Eisfilm verschaffte, auf dem wir angefahren sind.“

BZ: „Eis im Sommer?“
Walter Hofer: „Genau. Das war eine sehr sensible Angelegenheit, weil die Sonne die eine oder andere trockene Fläche erzeugte. Daher gab es schon bald einen dritten Innovationsschub im Anlauf: eine Keramikspur, die mit Wasser benetzt wird. Die Skier gleiten auf Noppen, benetzt durch einen Wasserfilm, zu Tal. Die Keramikspur ist heute weltweit Standard im Sommer. Allein im Anlauf hat sich im ersten Jahrzehnt also schon sehr viel getan. Die Zeit war geprägt von der Umsetzung der Idee, dass man auch im Sommer Wettkämpfe austragen kann.“

BZ: „Gab es im zweiten Jahrzehnt ebenfalls bestimmte Schwerpunkte?“
Walter Hofer: „Ja. Ich kam damals zur FIS. In den Jahren seit 1992 haben wir damit begonnen, die Sportart Skispringen völlig umzukrempeln. Wir hatten in der Analyse erkannt, dass wir nicht ganz beim Publikum ankamen. Ich darf daran erinnern, dass wir bei Weltmeisterschaften, bei Olympischen Spielen, Skiflug-WM’s und Weltcups vier, fünf verschiedene Formate hatten. Das war doch ein bisschen verwirrend für eine – quasi – Randsportart. Wir wollten einen gewissen Wiedererkennungswert erzeugen. Diese Jahre waren geprägt vom Ausprobieren von Formaten. Das begann mit der Einführung des Qualifikationsdurchgangs bis hin zum heutigen Format: dass im ersten Durchgang 50 Springer antreten und im Finaldurchgang dann noch 30 starten dürfen. Auch der K.o.-Modus wurde erstmals in Hinterzarten im Sommer getestet. Gott sei Dank, muss ich heute sagen. Hätten wir das, was wir in der Theorie entwickelt haben, damals gleich im Weltcup eingesetzt, wären wir auf die Nase gefallen. Wir wollten einen echten K.o.-Modus springen: Zwei treten gegeneinander an, der Verlierer scheidet unweigerlich aus. Gleich beim ersten Wettkampf in Oberhof geschah es, dass die beiden besten Springer gegeneinander antreten mussten. Der Zweitbeste wurde also eliminiert. Da wussten wir, dass wir damit beim Publikum nicht ankommen würden. Also führten wir die Lucky-Loser-Regelung ein. Die fünf besten Verlierer der K.o.-Duelle schaffen es auf diese Weise doch noch ins Finale. Es war enorm wichtig, das im Sommer erst einmal ausprobieren zu können.“

BZ: „Ein Testfeld war die Einführung des V-Stils in den 1990er-Jahren.“
Walter Hofer: „Die Sicherheitsfrage gewann damals enorm an Bedeutung. Die Athleten sind extreme Ski-Einstellungen eingegangen. Es gab schwere Stürze. Wir haben gegen den Wunsch der Trainer und der Athleten Reglements geschaffen, die bestimmte Einstellungen erzwangen. Ich kann mich erinnern, dass wir in Hinterzarten 16 Athleten disqualifizieren mussten, weil sie nicht akzeptierten, dass wir ihnen die Bindungsmontage vorschreiben. In den 1990er Jahren wurde der Sprungski in extremer Weise reglementiert. Es war ein enorm wichtiger Schritt, denn wir haben das Skispringen so sicherer gemacht.“

BZ: „Und im dritten Jahrzehnt?“
Walter Hofer: „Die Zeit seit dem Jahr 2000 ist vor allem unter dem Aspekt der Aerodynamik zu sehen. Wir haben den Athleten mit seiner gesamten Ausrüstung als physikalische Größe betrachtet. In einem Fünfjahresplan reglementierten wir schrittweise den Anzug. Zuvor war die Dicke frei, die Größe frei, die Stoffwahl frei… Wir mussten das alles einschränken, weil die Athleten unglaublich innovativ waren. Nachdem wir die Anzuggröße beschränkt hatten, konzentrierten sich die Athleten aufs Gewicht. Also führten wir die Gewichtsregel mit dem Body Mass Index ein.“

BZ: „Der Body Mass Index (BMI) ist eine Formel, die das Gewicht eines Athleten mit der Größe seines Körpers in Verbindung bringt. Unterschreitet er ein bestimmtes Mindestgewicht, muss er mit verkürzten Skiern springen. Er hat dadurch weniger Auftrieb in der Luft und verliert Weitenmeter.“
Walter Hofer: „Wir versuchten, die Sportart fairer zu machen. Eine weitere Neuerung war die Wind- und Gate-Regel, um die Wettkämpfe für die Jury besser steuern zu können. Die unterschiedlichen äußeren Bedingungen werden dabei kompensiert.“

BZ: „Vor einem Jahr sorgte ein kleiner Stab in Hinterzarten für großen Wirbel. Alle testeten Varianten der neuen Stabbindung. Es war eine Materialschlacht im Miniaturformat. Hat sich die Aufregung gelegt? Gibt es jetzt klare Standards?“
Walter Hofer: „Wir haben in diesem Jahr angefangen, die Bindungsentwicklung zu steuern. Beispielsweise muss der Vorderbakken der Bindung jetzt eine fixe, starre Verbindung mit dem Vorderschuh eingehen. Das schränkt die Entwicklung ein.

BZ: „Und was testet die FIS sonst noch in anderthalb Wochen in Hinterzarten?“
Walter Hofer: „Wir haben den BMI im Frühjahr nochmals erhöht. Von 20,5 auf 21 mit Ausrüstung. Das heißt salopp ausgedrückt: Manche Athleten müssen bis zu anderthalb Kilo schwerer werden, wollen sie die bisherige Skilänge beibehalten.“

BZ: „Und wie sieht die Zukunft aus? Was probieren Sie in zehn Jahren aus?“
Walter Hofer: „Was Technik, Regeln und Formate angeht, sind die großen Dinge schon geschehen. Die Schritte gehen eher dahin, dass das Skispringen die Freiräume ausnutzen wird, der der Sportart als Nischensport noch zur Verfügung stehen. Damit meine ich beispielsweise, dass wir die angestammten Herkunftsländer zurückerobern. Da haben wir allein im osteuropäischen Bereich von Estland bis Kasachstan 20 Nationen zur Verfügung, die jetzt wieder international werden. Man sieht, wie stark die Russen werden, die Kasachen… Überall dort bauen wir Anlagen und werden Wettkämpfe austragen. Zweitens wird das Skispringen weiblich. Wir sind dabei, auch eine Weltcupserie für die Frauen aufzubauen.“
(Quelle: Badische Zeitung)